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Als weltweiter Innovationsführer kann Deutschland seine Stellung als Vorreiter im Bereich Immaterialgüterrecht stärken

Deutschland ist nun für drei Jahre Mitglied des Exekutivrats der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), einem zentralen Entscheidungsorgan, das die Arbeit der WHO im Hinblick auf die weltweite Gesundheit leitet. Zusammen mit dreiundvierzig anderen Ländern im Exekutivrat wird Deutschland im Januar 2019 an der 144. Sitzung des Exekutivrats teilnehmen, um Themen zu besprechen, die von der Polio-Ausrottung bis hin zu den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels reichen.

Das aber vielleicht wichtigste Thema auf der Tagesordnung des Exekutivrats ist der von der WHO vorgeschlagene Plan zum Zugang zu Arzneimitteln (Roadmap on Access to Medicines). Dieser Plan legt für die nächsten fünf Jahre Prioritäten für die Arbeit der WHO in Bezug auf Arzneimittel weltweit fest. Als Mitglied des Exekutivrats wird Deutschland zu der Diskussion beitragen, wie die WHO dieses Problem angehen sollte.

Leider weist der vom Sekretariat der WHO vorgeschlagene Plan erhebliche Mängel auf, die die Mitgliedsstaaten beheben müssen. So sieht der Plan eine erweiterte Rolle der WHO beispielsweise in der Beratung von Ländern zum Immaterialgüterrecht vor, wie zum Beispiel hinsichtlich Zwangslizenzen (auch „TRIPS-Flexibilitäten“ genannt), die die Herstellung patentierter Arzneimittel ohne die Zustimmung des Patentinhabers ermöglichen. Dies ist unnötig und würde dem Bereich Innovation weltweit schwer schaden, denn für Patienten würde es dadurch schwieriger, aktuelle Arzneimittel zu erhalten, und Investitionen in Behandlungsmethoden und Heilmittel von morgen wären gefährdet.

Der Plan der WHO spiegelt eine Tendenz bei der WHO wider, Patente als Zugangseinschränkung zu sehen. Aber das ist eine falsche Sicht: Forschungsergebnisse zeigen keinen Zusammenhang zwischen dem Immaterialgüterrecht und dem Zugang zu Arzneimitteln. Fast alle Arzneimittel, die die WHO als „unentbehrlich“ erachtet, stehen nicht mehr unter Patentschutz und sind trotzdem für Millionen von Menschen aufgrund anderer Faktoren, wie schwache und unterfinanzierte Gesundheitssysteme, nicht zugänglich. Das Immaterialgüterrecht zu verschärfen, kann den Zugang sogar erleichtern – sowohl durch die Förderung neuer Entdeckungen als auch dadurch, dass innovative Arzneimittel leichter zu den Patienten gelangen, die sie benötigen.  

Die WHO ist des Weiteren ungeeignet, solche Empfehlungen zu machen: Es fehlt ihr am nötigen Fachwissen, die Länder zu komplexen technischen, wirtschaftlichen und handelstechnischen Auswirkungen des Schutzes von geistigem Eigentum zu beraten. Viele Länder haben bereits Bedenken darüber geäußert, dass die WHO ihre begrenzten Mittel nicht auf solch polarisierende Tätigkeiten verwenden sollte, die den Zugang zu Arzneimitteln wahrscheinlich nicht erleichtern werden. 

Die Mitglieder des Exekutivrats müssen einschreiten und sich zu Wort melden, was die entscheidende Rolle des Immaterialgüterrechts für die Förderung neuer Entdeckungen betrifft. In der Vergangenheit zählte Deutschland zu den entschiedensten Vertretern biomedizinischer Forschung und Entwicklung. Dies ist angesichts Deutschlands weltweiter Vorreiterstellung im Bereich Innovation nicht überraschend.

Nehmen Sie beispielsweise die Anzahl Deutschlands Patentanmeldungen. 2015 gingen beim Europäischen Patentamt fast 1.200 deutsche Patentanträge für biotechnologische und pharmazeutische Innovationen ein, womit aus dem Land – nach den USA – die zweitmeisten Patentanträge kommen. Außerdem wurden aktuellsten Zahlen zufolge in einem einzigen Jahr 6 Milliarden Euro in pharmazeutische Forschung und Entwicklung (F&E) investiert und F&E-intensive Bereiche bedeuten für Deutschland 641.000 Arbeitsplätze. Zudem stand Deutschland im Global Innovation Index 2018 an 9. Stelle.

Deutschlands Aussagen bei kürzlichen internationalen Treffen zeigen, dass seine politischen Oberhäupter sich der wesentlichen Bedeutung Deutschlands starker Innovationswirtschaft bewusst sind – nicht nur für die Entwicklung ihres eigenen Landes, sondern auch für die Förderung weltweiten Fortschritts:

  • Bei der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2018, haben die deutschen Vertreter das Immaterialgüterrecht standhaft verteidigt: „Deutschland sieht den Schutz geistigen Eigentums, insbesondere durch Patente für Pharmaprodukte, als Teil der Lösung – nämlich als wichtigen Anreiz für Innovationen.“
  • In schriftlichen Stellungnahmen, die letzten Sommer zu einem vorherigen Entwurf des Plans zum Zugang zu Arzneimitteln abgegeben wurden, hieß es von Deutschland: „Es ist unbedingt notwendig, dass wir in unserem Ansatz die Rolle des Immaterialgüterrechts als Anreiz für Innovationen in der medizinischen Patientenversorgung angemessen hervorheben.“ Deutschland erkannte außerdem an, dass die Rolle des Immaterialgüterrechts als „Anreiz für Forschung und klinischen Fortschritt“ berücksichtigt werden müsse.
  • Deutschland verteidigte das Immaterialgüterrecht außerdem bei den Versammlungen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization, WIPO) letzten Herbst in Genf. Der deutsche Vertreter bezeichnete die Rechte an geistigem Eigentum als „wesentlichen Bestandteil des rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmens, in dem Unternehmen und Gesellschaften als Ganzes funktionieren“ und fügte hinzu, dass die gesamte Gesellschaft erheblich von wissensbasierten Innovationen profitiere.

Diese Stellungnahmen zeugen von Deutschlands großem Engagement für die Innovationsförderung, damit Patienten auf der ganzen Welt Zugang zu aktuellen Behandlungsmöglichkeiten und Heilmethoden von morgen erhalten.

Nun da der Exekutivrat der WHO darüber nachdenkt, wie sich der Zugang zu Arzneimitteln verbessern lässt, hat Deutschland die Gelegenheit, nochmals zu betonen, dass ein geschwächtes Immaterialgüterrecht für den Zugang alles andere als förderlich wäre. Als weltweiter Vorreiter im Bereich Gesundheit und bedeutender Finanzierer von Entwicklungshilfe kann Deutschland dazu beitragen, das Augenmerk der WHO auf die Bekämpfung der tatsächlichen Zugangsbarrieren zu lenken, wie beispielsweise schwache und unterfinanzierte Gesundheitssysteme, schlechte Infrastruktur und Steuern/Zölle. Vor allem sollte Deutschland bei der Versammlung des Exekutivrats klar seine Bedenken hinsichtlich des Plans äußern und sicherstellen, dass er nicht zu verstärkten Aktivitäten der WHO führt, die zu einer Schwächung des Immaterialgüterrechts weltweit beitragen könnten.

Jetzt ist es an der Zeit zu handeln. Patienten auf der ganzen Welt sind darauf angewiesen, dass Deutschland und die anderen Mitglieder des Exekutivrats Verantwortung dafür übernehmen, dass proaktive und umfassende Lösungen für die tatsächlichen, komplexen Gründe gefunden werden, die einer besseren weltweiten Gesundheit im Wege stehen.

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